Beschreibung
Inhalt
»Chaim Noll ist ein Hybrid. Deutscher Jude, jüdischer Deutscher, Ossi und Wessi, Israeli mit Migrationshintergrund. Als er vor inzwischen 26 Jahren beschloss, Deutschland zu verlassen und fortan in Israel zu leben, dazu noch mitten in der Negev-Wüste, war das eine Reise ins Exil, zugleich aber auch die Heimkehr in ein Land, das er nur aus der Literatur kannte. Klingt ein wenig umständlich, ist aber so. Jeder Jude tickt anders, aber so gut wie allen gemeinsam ist, dass sie irgendwann keine Lust haben, sich dafür zu rechtfertigen, dass sie Juden sind. Sie sind es leid, gefeiert oder bemitleidet zu werden. Sie wollen einfach normal leben. Und Israel ist der einzige Ort auf dieser Welt, an dem das Judesein zur Nebensächlichkeit gerät. Chaim Noll hat sich von seinem Exil-Judentum emanzipiert und ist ein Israeli geworden. Frech und vorlaut, frei von der jüdischen Ur-Angst, das, was ein Jude sagt oder tut, könnte der jüdischen Gemeinschaft schaden. Spaß statt Stress. Noll brauchte eine Weile, um in Israel anzukommen. Das Leben in der Wüste schärft die Sinne und konzentriert sie auf das wirklich Wesentliche. Es lehrt, die Wirklichkeit von den Trugbildern zu unterscheiden. In der Wüste ist der Mensch für sich selbst verantwortlich und sollte nicht unbedingt Hilfe erwarten.
Chaim Noll hat sich das Land schreibend erarbeitet. Seit einer Weile schaut er mit einem veränderten Blickwinkel wieder nach Deutschland und wundert sich, was aus diesem Land geworden ist. Was ist seit dem Fall der Mauer vor über 30 Jahren
passiert, was in den 16 Jahren unter Angela Merkel? Könnte es sein, dass ‚Deutschsein‘ tatsächlich bedeutet, eine Sache ‚um ihrer selbst willen‘ (Wagner) zu machen, ohne Rücksicht auf die Schäden, welche die Politik anrichtet? – Baruch ha’ba, Chaim, willkommen im neuen, bunten und diversen Deutschland.«
Henryk M. Broder
Aus dem Vorwort
»Schon in der DDR begann Chaim Noll, sich mit seinem Jüdischsein auseinanderzusetzen. Das war aus mehreren Gründen nicht einfach, besonders, weil Israel von der SED als imperialistischer Zionistenstaat galt und Israelhass zum ideologischen Repertoire der Partei gehörte. Diese Auseinandersetzung schärfte Nolls Blick ungemein. Er profitiert bis heute davon. Wo andere wegschauen, sieht Noll hin. Was er sieht, ist oft genug das, was unter den Teppich gekehrt werden soll, weil es das Bild vom heutigen bunten, toleranten Deutschland beeinträchtigen oder gar zerstören würde. Die in der DDR entwickelte Fähigkeit, hinter die Fassade zu schauen und hinter Schimären die Realität zu erkennen und zu benennen, macht Noll heute zu einem der scharfsinnigsten Kritiker des Zeitgeistes und der Politischen Korrektheit. Jeder einzelne Essay dieses Bandes ist ein Beweis dafür. Man kann das Buch deshalb mit großem Gewinn lesen, selbst wenn man glaubt, schon alles über den gesellschaftlichen Zustand in Zeiten abnehmender Demokratie zu wissen. «
Vera Lengsfeld
Über den Autor
Chaim Noll wurde 1954 unter dem Namen Hans Noll als Sohn des Schriftstellers Dieter Noll in Ostberlin geboren. Er studierte Kunst und Kunstgeschichte in Ostberlin, bevor er Anfang der 1980er Jahre den Wehrdienst in der DDR verweigerte und 1983 nach Westberlin ausreiste, wo er vor allem als Journalist arbeitete. 1991 verließ er mit seiner Familie Deutschland und lebte in Rom. Seit 1995 lebt er in Israel, in der Wüste Negev. 1998 erhielt er die israelische Staatsbürgerschaft. Chaim Noll unterrichtet neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit an der Universität Be’er Sheva und reist regelmäßig zu Lesungen und Vorträgen nach Deutschland.
Leseprobe
Klappenbroschur, 200 Seiten